diorama – tiny missing fragments – VÖ: 23. Oktober 2020 – inklusive Interview mit Torben Wendt

„tiny missing fragments” ist das zehnte Studioalbum der Dark Wave Avantgardisten von diorama, veröffentlicht am 23. Oktober 2020 auf allen Kanälen.
Seit jeher gelten diorama als verkopft und unkonventionell. Und nie zuvor war dieses Label so berechtigt wie heute. Auf „tiny missing fragments” vollziehen diorama einen konsequenten Bruch mit klassischen Elektro- Arrangements. Ihre emphatischen Botschaften verpacken sie stattdessen in Glitch Beats, komplexe Loops und atmosphärische Dichte. Episch und melodiös wird es in den Refrains, in denen die melancholische
Leichtigkeit früherer Releases wie „amaroid“ und „her liquid arms“ durchscheint.
Aufgenommen und produziert wurde das Album in Eigenregie von Torben Wendt und Felix Marc. Neben den eindringlichen Vocals und den vielen Sounddetails tragen auch die psychedelischen Gitarreneffekte von Zura Nakamura entscheidend zum Charakter des Albums bei. Für Präsenz in den Clubs dürften Tracks wie „gasoline“ oder der von zoodrake produzierte Remix von „horizons“ sorgen. Seine Strahlkraft erhält das Album aber durch die verstörende, zerrissene Ästhetik, die sich insbesondere bei Balladen wie „irreversible“
oder „dark pitch“ entfaltet.

Als Vorboten zur Albumveröffentlichung werden mehrere Single-Releases inkl. Videomaterial ausgekoppelt.
Das Coverartwork entstand in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Künstler Faizki, der exklusiv für dieses Release eine Bilderserie anfertigte.

diorama bestehen seit 1996 und blicken zurück auf eine Vielzahl an Veröffentlichungen und Auftritten bei Konzerten und Festivals. Das Line Up der 4 Musiker ist seit vielen Jahren (abgesehen von einem Wechsel an
der Gitarrenposition) unverändert.

line up:
torben wendt – songwriting, production, vocals
felix marc – co-production, keyboards
zura nakamura – guitars, spring board, efx
markus halter – drums


tracklist:
01 – avatars
02 – patchwork
03 – horizons
04 – gasoline
05 – dark pitch
06 – charles de gaulle
07 – counterloop
08 – sensation
09 – irreversible
10 – iisland
11 – the minimum
12 – orbitalia

Rezension – „tiny missing fragments“

‘Tiny Missing Fragments’ , am 23.10.20 ist es zu haben und ihr solltet nicht nur eure Ohren öffnen. Zugegeben bin ich wohl sehr voreingenommen, was diese Band betrifft, denn ich höre sie seit einer gefühlten Ewigkeit und bin immer gespannt wie ein Flitzebogen, wenn es etwas Neues gibt. Mich fasziniert es einfach, jedes Mal eine Überraschung zu erleben.

Beim ersten anhören dachte ich:“Was? Das soll Diorama sein? Beim zweiten Mal hatte ich sofort 3 Favoriten. Und dann ging es wieder los, ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mich quer durch alle Scheiben zu hören:-)

Mir wurde erneut klar, was für geniale Texte es immer sind, die mich nicht mehr loslassen. Die mich immer dazu bringen, alles was ist, zu überdenken!

Auf jeden Fall kann man ganz klar erkennen, das hier echte Meister am Werk sind. Kreativ, schöpferisch und musikalisch begabt.

Erneut wird der bisher eingeschlagene Weg verlassen, um sich neu zu positionieren und zurück zu musikalischen Wurzeln und den eigentlichen Wesenszügen zu kehren.

Bravourleistung kann ich nur sagen, wenn die diffizil gewählten Satzpartikel

eine Unteilbarkeit ergeben. Schlichtheit an Wörtern, Ausdrücklichkeit als Konsequenz. Nichts, was hier nicht verstanden werden kann. Das macht es definitiv unverwechselbar.

Die Partitur absichtlich nicht harmonisch. Zerrissen, wie Fetzen, wie als würde jemand im Traum zu mir sprechen, um mich auch wirklich im Innersten zu erreichen.

Ich zitiere: „Auch wenn das nicht beabsichtigt war, passt das Album aus meiner Sicht fast wie ein Soundtrack in dieses durchgeschüttelte, verstörende, für viele auch einsame Jahr.“(TWN) – dem ist nichts mehr hinzu zu fügen.

Starten wir mit “Avatars“, eine Melange aus trostreich und verstörend. Nicht ganz einfach, hier hinein zu finden. Ungezügelte Tonzeichen versetzt mit einem das Gemüt treffenden Bezugsrahmen.

Forsch kommt „Patchwork“ daher. Die freundliche Stimme von Torben, vor einem anhaltend, opulenten Background.

Ich bin bei mir angekommen, ich muss mich nicht verbiegen, für Nichts und Niemanden, weil ich mit dem was und wie ich bin, zufrieden bin. By the way: Ich hab es lange genug versucht, jedem gerecht zu werden, aber ich bin nur ein Mensch und keine Maschine! Akzeptiere mich so oder geh einfach.

Sehr schön, das ist überhaupt ein sehr wichtiges Merkmal für einen reflektierten Menschen, der im Gegenzug auch das Gleiche zurück geben wird. Leider nur gibt es davon viel zu wenig.

Auszeichnend für „Horizons“ sind die unterkühlten, ausschlagenden und nicht glatten Sounds.

Hier nun ein paar meiner Favoriten: „Gasoline” und “Counterloop”, da ist es wieder, was man erwartet und sich freut wie ein kleines Kind zu Weihnachten!  Wer jetzt nicht von selbst anfängt, sich in irgendeiner Art zu bewegen, der muss wohl scheintot sein;-) Hier nicht zu vergessen ist “Charles de Gaulle”. Reißt ein die Türen, stürmt die Clubs und tanzt! Lebt!

Dafür liebe ich Diorama. Manchmal braucht es nicht viel, aber das ist dann so ein angekommen sein, das kann nichts toppen!

„Dark Pitch“ ist der beste Beweis dafür, wie man Farbe bekennt. Hier wird mehr als deutlich, das es die Musiker sind, die bestimmen, was wir hören und was sie uns mitteilen wollen. Kein weichgespülter Allerweltssound, der prima im Radio hoch und runter läuft, weil jeder ihn toll findet.

Das zwei Menschen, Felix und Torben, mit einer Stimme spielen, ist schon eine „Sensation“.

Lichtlose, schwermütige Atmosphäre, aufmerksam definiert. “Irreversible“ – sachte dichterische Abschnitte unterlegt mit radikalen Bruchstücken. Genau die spezielle Art, den Ansatz in die Tat um zu setzen. Sehr genial!

‘The Minimum’ eine dieser wunderschönen Balladen, in denen man so richtig schwelgen und vergessen kann. Manchmal ergibt Minus und Minus eben doch Plus.

‘Orbitalia’ nicht nur der Hinweis auf das Ende des Albums, nein, auch ein kleiner Hinweis auf, ich zitiere: „Die Weiterentwicklung in eine neue Richtung auf der Weltraumkarte. „ (TWN)

Und in ihrer Schlussbetrachtung kommt die Hörerin zu folgendem Fazit:

Alles neu und doch bekannt. Wie immer in perfekter Vertonung und mit anspruchsvollen Texten. Das Album macht wach, es verstört, es zeigt auf, das man mit sich Selbst im Reinen sein muss. Das man sich nicht anderen unterordnen muss, um jemand zu sein.

Es beruhigt und bringt nach Hause. Es braucht Zeit, um es zu verstehen, aber das ist doch genau das Schöne, wenn man es das „10. Mal“ anhört und immer noch etwas neues entdeckt.

Bitte führen Sie es umgehend live und in Farbe auf, damit wir die volle Energie und Freude erleben dürfen!!!

geschrieben von Claudia Tomaszewski

Zitate sind nachzulesen im Interview;-)

Interview mit Diorama -Torben Wendt

KKM: Am 23.10.2020 erscheint euer 10. Album „tiny missing fragments”. Ich persönlich bin immer gespannt wie ein Flitzebogen, wenn es etwas Neues von euch gibt. Mich fasziniert es einfach, jedes Mal eine Überraschung zu erleben. Wie denkt ihr kommt die neue Scheibe bei den Fans an?

TWN: Auch wenn das nicht beabsichtigt war, passt das Album aus meiner Sicht fast wie ein Soundtrack in dieses durchgeschüttelte, verstörende, für viele auch einsame Jahr. Aber ob das auch so empfunden wird, ob die Songs in der Lage sind, die Leute zu berühren etc. vermag ich nicht zu sagen. Es würde mich freuen.

KKM: Wie lange hat die Fertigstellung der neuen CD gedauert? Wo wurde sie aufgenommen und produziert?

TWN: Im September 2016 haben wir „zero soldier army“ veröffentlicht. In den beiden Jahren danach sind erste Ansätze entstanden, später dann die Arrangements und Produktionen. Die heiße Phase der finalen Aufnahmen und Mixe begann Anfang 2020 – und wurde von Corona komplett gekapert. Was dazu geführt hat, dass wir viele Beiträge der einzelnen Musiker über die Distanz hinweg zusammen tragen mussten statt in gemeinsamen Sessions. Nur Felix und ich konnten uns kein Social Distancing leisten und saßen gefühlt fünfhundert Milliarden Stunden zusammen während dieser Zeit. Ungefähr zwei Drittel der Produktionen sind in meinem Home Studio entstanden, interimsweise auch im Schlafzimmer, der Rest bei Felix.

KKM: Wurdet ihr bei der Produktion von jemandem hinter den Reglern unterstützt, oder lag alles allein in euren Händen?

TWN: Über die Jahre hinweg hatten wir das Glück, mit tollen Musikproduzenten zusammenarbeiten zu können, zuletzt mit dem großartigen Gregor Beyerle und Hilton von Zoodrake. Dieses Album ist aber komplett in Eigenregie entstanden. Ich denke, unsere Handschrift als Produzenten ist sehr deutlich herauszuhören und absolut stilprägend für den Sound.

KKM: Welche Anforderungen stellt ihr persönlich an einen guten Song?

TWN: Eine allgemeingültige Checkliste kann ich nicht anbieten. Die Hauptsache ist, dass ein (emotionaler) Funke überspringt und hängen bleibt – der einen zum Nachdenken anregt, oder zum Tanzen oder weiß der Teufel wozu. Hier haben verschiedene Künstler und Genres ihre eigenen interessanten Wege. Unserer entspringt aus einer eher traditionellen Singer/Songwriter-Ecke, damit verbunden mitunter die Freude an hymnischen Refrains und dergleichen. Persönlich liebe ich aber auch aufgelöste Songstrukturen und artsy fartsy Zeug.

KKM:„gasoline“, „counterloop“ und „the minimum“, da ist es wieder, was man erwartet und sich freut wie ein kleines Kind zu Weihnachten! Ist das eine Hommage an eure musikalischen Wurzeln? Klingt so herrlich oldschool und ein bisschen melancholisch:-)

TWN: Das ist schön, dass Du das schreibst. Der musikalische Wandel, den wir mit dem Album vollziehen, ist zum Teil auch mit einer Rückbesinnung auf unsere früheren Wesenszüge verbunden und deren Weiterentwicklung in eine neue Richtung auf der Weltraumkarte.

KKM: An welchen Orten könnt ihr euch am besten auf das Schreiben neuer Songs und Texte konzentrieren?Oder waren das verschollene Schätze aus der geheimen Schublade?

TWN: Wenn ich es mir backen könnte, hätte ich gerne so ein richtiges Bandrefugium in den Bergen mit einem Stapel alter Bücher und ohne WLAN, oder wenigstens eine Schreibstube unterm Dach. Fakt ist aber, dass im Alltag wenig Wunschkonzert ist. Da nehme ich jeden verfügbaren freien Abend im Studio und jede Viertelstunde zwischendrin am Küchentresen. Und: nein, in der geheimen Schublade sind andere Sachen. :-)

KKM: Habt ihr einen persönlichen Lieblingssong auf dem aktuellen Album? Wenn ja, welcher ist es und warum?

TWN: Schwankt bei mir zwischen „horizons“ und „irreversible“. Ich finde beide Songs haben etwas tröstendes, erlösendes.

KKM: Wie kamt ihr auf das Cover und den Titel des Albums?

TWN: Der Titel entstand beim Texten des Songs „patchwork“. Ich hatte schon die Zeile mit den „missing fragments“ und brauchte noch einen Zweisilber vorab, den Felix dann mit „tiny“ beisteuerte. Wir schauten uns an und sagten, das könnte ja fast ein Albumtitel sein. Und das finde ich nach wie vor, da es die verschiedenen Inspirationsquellen hinter dem Album und seine Detailversessenheit gut auf den Punkt bringt. Das Cover entstand durch unsere Zusammenarbeit mit dem niederländischen Künstler Faizki, in dessen Kunstwerken wir die „tiny missing fragments“ reflektiert sahen. Er lieferte die Grundlage für das Cover, die von unserem Leipziger Freund User vollendet und mit weiteren Komponenten ergänzt wurde.

KKM: Die Verbindung unterschiedlicher Genres der elektronischen Tanzmusik als eines der Hauptmerkmale von euch sind nicht von der Hand zu weisen. Und nun so ein teilweiser krasser Bruch. In welchem fühlt ihr euch am wohlsten?

TWN: Ich habe letztens eine Karikatur gesehen, in der es um die Diskrepanz bei Musikern geht zwischen der Musik, die sie hören und der, die sie selbst machen. Unsere Entwicklung mit TMF führe ich schon auch darauf zurück, diese beiden Welten, wenn man so will, wieder mehr anzugleichen. Und genau damit fühlen wir uns extrem wohl.

KKM: Wie zufrieden seid ihr mit dem bisher Erreichten und was würdet ihr ändern, wenn ihr die Zeit zurückdrehen könntet?

TWN: Du meinst im Rahmen der Diorama-Karriere? Mir ist bewusst, dass vieles, was wir erleben durften, ein Privileg war. Die ersten Konzerte in Belgrad, die Reisen nach Russland oder Mexiko, die Release Parties im Reutlinger FranzK, die Auftritte mit dem Babelsberger Filmorchester, der unfassbare Support unserer Fans… wenn der Haderer und Nihilist in mir mal die Fresse hält, bin ich wirklich zufrieden. Und dankbar. Rückblickend etwas ändern ja, das gibt es eine ganze Menge. Die Kettensäge als erstes beim BWL-Studium ansetzen und stattdessen etwas Richtiges lernen, das wäre der Anfang. Allerdings müsste das alles auch einem übergeordneten Ziel dienen und darüber müsste ich erstmal nachdenken. Reicher und berühmter werden? Oder glücklicher? Oder einfach nur anders?

KKM: Was war für euch überhaupt damals das Schlüsselerlebnis selbst Musik machen zu wollen?

TWN: Erste eigene Songs am Klavier habe ich schon als Kind geschrieben. Einen Antrieb dazu gab es offensichtlich schon recht früh. In die Musikproduktion eingestiegen bin ich mit Techno zur Hard Trance Blütezeit in den Neunzigern (übrigens damals schon mit Felix). Da war es einfach ein Spaßthema. Bis mir eines Tages beim Spazierengehen durch die Reutlinger Innenstadt die Melodie einfiel, aus der später der Song „Leaving Hollywood“ wurde. Dreivierteltakt, Chansoncharakter, völlig aus dem Nichts. Ich bin dieser Melodie dann sozusagen hinterhergegangen und spürte, dass da mehr ist. Und hier bin ich nun.

KKM: Fakt ist, es ist wirklich toll und wichtig, das ihr da seid, das ihr uns weiter „auf die Sprünge helft“ und wir etwas haben, das sich definitiv nach „zu Hause sein“ anfühlt. Habt ihr den gleichen Eindruck, wenn ihr Konzerte gebt?

TWN: Ich frag mich das oft, ob wir überhaupt eine Art höhere Aufgabe haben mit unserer Musik, da ich mich eigentlich nicht so wichtig nehmen möchte. Aber sollte das so sein, dann geht diese wahrscheinlich schon in die Richtung, die Du beschreibst – eine Art gedankliche, gefühlsmäßige Heimat zu bieten, eine Anlaufstelle, Projektionsfläche, Inspiration, vielleicht auch Trost oder Ablenkung, in jedem Fall Unterhaltung.

KKM: Was könnt ihr uns über die kommenden Live Aktivitäten berichten?

TWN: Nada.

KKM: Wie kann man sich einen Diorama Auftritt vorstellen? Was geht bei euch so auf der Bühne ab?

TWN: Wir performen die Songs. Auf Konfetti-Regen und Schlagzeugzertrümmern verzichten wir meistens.

KKM: Was möchtet ihr in naher Zukunft (musikalisch) erreichen? Was war 2020 eure schönste Erfahrung als Musiker?Gab es für euch 2020 auch weniger erfreuliche Ereignisse?

TWN: Es wäre schön, wenn unser traditionelles Heimatstadt-Konzert, der D-Day in Reutlingen, möglichst bald stattfinden kann. Von anderen Konzerten mal zu schweigen. Meine schönste Erfahrung 2020 als Musiker war das Livestream-Konzert mit Felix im April. Die weniger erfreulichen Ereignisse sind in erster Linie all die Pläne, die ins Wasser gefallen sind.

KKM: Wenn ihr einen Wusch frei hättet, was würdet ihr euch wünschen?

TWN: Dass der Religionsunterricht flächendeckend abgeschafft und durch Ethik ersetzt wird. Oder wahlweise eins dieser sauteuren Gravel Bikes.

KKM: Ich bedanke mich bei euch für das Interview und wünsche euch den „Bombenerfolg“ für die Scheibe, den sie verdient hat:-) Die letzten Worte in diesem Interview überlasse ich euch..wir sehen uns definitiv live!!!

TWN: Für Eure Aktivitäten, zumal in diesen schwierigen Zeiten, meinen großen Respekt. Und uns allen wünsche ich gute Nerven während der nächsten Zeit. Check One Two. Hey Ya Sssa!!

geschrieben von Claudia Tomaszewski

Facebook: https://www.facebook.com/dioramawastaken/

Web: http://diorama-music.com/

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